Herzlich Willkommen bei Literaturportal.de

Bei uns finden Sie alle aktuellen Termine rund um die Literatur, Verlage und Autorenportraits.

Literaturportal.de

Inhalt
Marbacher Exponate
Wir über uns | Partner


Am 6.6.2006 wurde das Literaturmuseum der Moderne eröffnet, das die Bestände des Deutschen Literaturarchivs zum 20. und 21. Jahrhundert zeigt. Seit dem 10.11.2009 präsentiert das Schiller-Nationalmuseum die Schätze des Archivs mit einer neuen Dauerausstellung zu Friedrich Schiller und der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts. Monat für Monat werden an dieser Stelle Exponate aus beiden Museen vorgestellt. Die Fülle, die Verschiedenheit, aber auch die einzelnen Details der ausgestellten Bestände des Deutschen Literaturarchivs werden damit sichtbar gemacht.





Januar 2012: Franz Kafka an seine Schwester Ottla (1. Januar 1917)

Im Blickpunkt: Das Exponat des Monats


Auf einem gelblich-wei�en, unlinierten Papier mit unregelm��igen Rei�spuren am oberen Rand sendet Franz Kafka am 1. Januar 1917 nachtr�gliche Neujahrsgr��e an seine Schwester Ottla. Ohne Anrede beginnt er unmittelbar mit den W�nschen an die Familie: �Zuerst Gl�ckliches Neues Jahr allseits�, dann wendet sich Kafka direkt an seine Lieblingsschwester. Er erteilt ihr Einkaufsauftr�ge und beruhigt sie zugleich bez�glich des Lebensmittelvorrats: Er habe �jeden Abend mehr� zu essen als er aufessen k�nne, einzig �der geistige Vorappetit� sei ungeheuer gro�.
Diese Zeilen sind ein Hinweis auf eine Zeit produktiven Schaffens. Seit Ende November 1916 wohnt Kafka in einem von Ottla angemieteten H�uschen in der Alchemistengasse auf der Prager Kleinseite. Felice Bauer, mit der er sich im August 1917 zum zweiten Mal verloben wird, gesteht er: �Ich lebe in Ottlas Haus. Jedenfalls besser als jemals in den letzten zwei Jahren.� Die r�umliche Trennung von der Familie bringt ihm die erhoffte Ruhe, die er f�r sein Schreiben so dringend ben�tigt. So entstehen im Winter 1916/17 � nach zweij�hriger Stagnation � die Gruftw�chter-Fragmente und zw�lf der vierzehn Prosast�cke, die Kafka sp�ter im Landarzt-Band ver�ffentlicht.
Seine Neujahrsgr��e schickt er mit den Worten ab: �Sylvester habe ich gefeiert, indem ich aufgestanden bin und dem Neuen Jahr die Stehlampe entgegengehalten habe. Feurigeres kann niemand im Glase haben�. Zu jenem Zeitpunkt wei� er noch nicht, dass das Jahr 1917 eine entscheidende Wende in seinem Leben bringen wird: den Ausbruch der t�dlichen Lungentuberkulose, den endg�ltigen Bruch mit seiner Verlobten Felice Bauer, den Versuch, sich vom Vater und der Prager Umwelt zu l�sen. Die einzige Konstante in seinem Leben bleibt seine Schwester Ottla, die nichts von ihm erwartet und nichts will. Sie ist f�r ihn Schwester, beste Freundin, engste Vertraute, Verb�ndete im Kampf gegen die ihm immer unertr�glichere Umwelt und Geliebte. F�r Kafka bekommt das Verh�ltnis zu Ottla nach Ausbruch seiner Krankheit beinahe ehe�hnliche Z�ge: �Mit Ottla lebe ich in kleiner guter Ehe.� Sie ist die einzige Frau, der er bis zu seinem Tod am 3. Juni 1917 alles anvertraut und deren Gegenwart er immer ertragen kann, denn noch sieben Monate vor seinem Tod schreibt er ihr: �Wenn mich alles in der Welt st�ren w�rde � fast ist es so weit �, Du nicht.�

Kafkas Neujahrsgr��e an seine Schwester Ottla k�nnen als Postkarte im Museumsshop erworben werden.